In unserer ersten Woche, hörten wir auf dem Gelände von McKean, einen von einem christlichen Missionar gehaltenen Vortrag über den Buddhismus in Thailand. Hier , wie versprochen einen mehr oder weniger kurzen Exkurs dazu!
95 % aller Thailänder sind Buddhisten. Anders als das Christentum in Deutschland, ist der Buddhismus durchaus Staatsreligion, wir haben hier nicht die strikte Trennung von Staat und Kirche.
So ist z.B. die Ausfuhr von Buddhastatuen inzwischen verboten, weil sie im Ausland zu oft als Hutständer oder auf sonstwelche Art "zweckentfremdet" wurden.
Dabei ist Buddhismus nicht gleich Buddhismus.
Nach dem Tod des Siddharta Gautama, des Begründers des B. entwickelten sich verschiedene Formen der Religion. Die ursprüngliche Form des B. ist der Hinayana ("kleines Fahrzeug"), der sich in Sri Lanka und weiten Teilen Südostasiens verbreitete. Der Hinayana ist die thailändische Form des B. und wurde von König Ramkhamhaeng (reg. 1279-1298) als Staatsreligion verankert.
In China, Zentralasien, Kambodscha, Japan und weiten Teilen Ostasiens entwickelte sich der Mahayana ("Grosses Fahrzeug").
Der allseits populäre Dalai Lama steht übrigens für keine dieser beiden Richtungen, sondern ist Vertreter des Vayrajana ("Goldenes Fahrzeug").
Der Buddhismus beruht auf der Lehre von Siddharta Gautama, einem Fürstensohn, der 570 vor Chr. im Indisch-nepalesischen Grenzgebiet, bei Lumbini geboren wurde.
Das buddhistische Leben wird in drei große Teile geteilt:
bis zum Alter von 30 Jahren ist man ein Suchender, ein Lernender, von 30 bis 60 Familienvater und von 60 bis 90 Mönch.
Siddharta Gautama, der erst durch seine Erleuchtung zum Buddha wurde, heiratete mit 30 Jahren Gopa und bekam mit ihr einen Sohn, den er bezeichnender Weise "Rahal" ( die Fessel) nannte.
Fessel, weil durch seinen Sohn S. G. "ans Leben gefesselt" blieb und ihm die spätere Loslösung wohl nicht nur leicht gefallen ist.
Die Zahl drei ist nicht unwichtig im B. Während der Regenzeit z.B., wandern die Mönche drei Monate nicht.
Es gibt die drei Juwelen des B., die Grundpfeiler des B., nämlich Buddha, seine Lehren (Dharma) und die buddhistische Gemeinde (Sangha).
Die heilige Schrift des Buddhismus ist die "Tripitaka", wörtlich übersetzt "Dreierkorb", da die Schrift in drei Teilen gesammelt wurde.
Als junger Mann unternimmt S. G., der in sehr behüteten Verhältnissen aufwächst, vier Ausfahrten:
in der ersten begegnet er einem Greis,
in der zweiten einem Fieberkranken,
in der dritten einer Leiche und
in der vierten einem Mönch.
Zum ersten Mal in seinem Leben wird er konfrontiert mit Alter, Krankheit, Tod und Askese.
Durch diese Begegnungen erschüttert und inspiriert verlässt er seine Familie und lässt Frau und Kind (gut versorgt) zurück. Er wird ein Suchender.
Sechs Jahre lang quält er sich in der Hungeraskese, bis er begreift, dass der extreme Weg ihn nicht zur Erkenntnis führt, sondern dass er den mittleren Weg, den Weg des Maßhaltens gehen muss, um zur Erkenntnis zu gelangen.
(Für die heutigen Mönche gilt, dass sie Nahrung nur bis 12 Uhr mittags aufnehmen dürfen, allerdings gilt dies nicht für die unter 21jährigen.)
Buddha beendet die Hungeraskese und findet die Erleuchtung in drei Stufen in drei aufeinanderfolgenden Nächten:
In der ersten Nacht erinnert er sich an seine 500 letzten Existenzformen u.a. als Knecht, Elefant und Fürst.
In der zweiten Nacht begreift er das Prinzip des Karma, von Ursache und Wirkung.
In der dritten Nacht ("da er verraten ward"- nein, kleiner Scherz!)
erkennt er die vier edlen Wahrheiten.
Damit ist Gautama zum Buddha, zum Erleuchteten geworden.
Er ist kein Gott, kein Götze, sondern ein Lehrender.
"Mit seinen Lehren reformiert er den vorherrschenden Hinduismus stärker als Martin Luther die katholische Kirche."(Zitat Vortragender)
Er lehnt ab:
- die heiligen hinduistischen Schriften (Veden, Upanishaden)
- die Idee einer unvergänglichen Seele
- er hebt das hinduistische Kastensystem auf und schafft eine neue Kaste, in der alle gleich sind.
Buddhas Mission ist großer Erfolg beschieden. Die Lehre des "mittleren Pfades" hat großen Zulauf. Schon bald kann er 60 Mönche ausschicken ( Im Gegensatz zu Jesus schickt er seine Mönche einzeln aus, um schneller mehr Menschen zu erreichen. Jesus schickt seine Jünger zu zweien aus).
44 Jahre ist er selbst als Wanderprediger unterwegs. Er ist ein ausgezeichneter Redner, Menschenkenner und tritt mit großem Selbstbewusstsein auf. Mit Wesen wie Göttern, Geistern und Menschen hat er nichts mehr gemein: er ist der Erleuchtete. Sie alle müssen noch erlöst werden. Er ist schon erlöst.
Das Prinzip des Karma:
(Thai: gkam)
Karma umfasst das Prinzip von Ursache und Wirkung. Jede Handlung in diesem Leben entfaltet ihre Wirkung im nächsten Leben und nimmt darauf Einfluss, in welcher Existenz der Mensch wieder geboren wird. Gleiches wird mit Gleichem vergolten. Gutes mit Gutem. Schlechtes mit Schlechtem.
Daraus resultiert der gewisse asiatische Gleichmut, der uns Europäer so oft erstaunt:
"Man kann ja eh nichts daran ändern". Ein sehr wichtiger Satz hier in Thailand ist: Mai pen rai! Macht nichts! Alles ist durch das Karma vorherbestimmt.
Dabei bedeutet es für den Herrschenden, der seiner Putzfrau den Auftrag gibt die Kakerlaken von der Terrasse zu fegen oder die Schlange zu fangen und zu kochen, keine Gefährdung seines Karmas. Die Putzfrau, die den Befehl ausführt, die zahlt im nächsten Leben die Rechnung dafür, dass sie sich in diesem Leben an der Kreatur vergreift.
Die vier edlen Wahrheiten:
1. Die Wahrheit vom Leiden:
alles Leben ist Leiden (Dukkha = Schmerz): Liebe, Geburt, Krankheit, Sorge, Kummer, Tod, Schmerz, Nichterfüllung des Begehrens.
Das größte buddhistische Leiden ist der Zwang wieder geboren zu werden.
Das ist vielleicht eines der größten Missverständnisse, in der westlichen Rezeption des B. Wiedergeburt beinhaltet keinerlei tröstliche Komponente. Es kommt nur noch ein langes Leben voller Leiden hinzu. Der Buddhismus strebt nach Erlösung, bzw. Auflösung, nach dem Ende, das Nirwana ist das Ziel.
2. Die Wahrheit vom Ursprung des Leidens:
alles Leiden wird durch Begierden hervorgerufen (Samudaya = Begierde): Begehren, Lust und Lebensdurst sind der Ursprung des Leidens.
3. Die Wahrheit vom Aufhören:
dem Leiden kann durch Auslöschung der Begierden ein Ende bereitet werden (Nirodha = Beendigung).
4. Die Wahrheit vom Weg zur Aufhebung des Leidens:
(Magga = Weg).
dieser Weg ist der "achtfache Pfad". Durch die Begehung des achtfachen Pfades lassen sich die Begierden und dadurch das Leiden beenden.
Den achtfachen Pfad kann man sich vielleicht vorstellen, wie eine achtspurige Autobahn. Ich erreiche nicht sukzessive die nächste Stufe, sondern alle Wege müssen gleichzeitig beschritten werden, alle Anforderungen simultan erfüllt werden.
Der achtfache Pfad ist ein strikter Verhaltenskodex, der eine hohe moralische Haltung und viel Selbstdisziplin verlangt.
1. der Pfad der rechten Anschauung:
die vier edlen Wahrheiten anerkennen.
2. Der Pfad der rechten Gesinnung:
entsagende, friedfertige Gedanken, nichts schlechtes Denken!
3. Der Pfad der rechten Rede:
keine verletzende Rede, nicht lügen, nicht lästern
4. Der Pfad der rechten Taten:
die fünf buddhistischen Gebote beachten:
nichts Lebendiges töten, nicht stehlen, nicht ehebrechen, nicht lügen, keinen Alkohol oder andere Rauschmittel einnehmen.
5. Der Pfad vom rechten Lebenserwerb:
viele Berufe verbieten sich nach den buddhistischen Regeln von selbst. Ich darf keinen Beruf ausüben, der andere schädigt, z.B. Tierhändler, Waffenhändler aber auch Metzger etc.
6. Der Pfad der rechten Bestrebung:
ich muss mich bemühen, danach streben die schlechten Gedanken und Wünsche abzulegen, nach Vermeidung, Überwindung und nach Erhaltung streben.
7. Der Pfad der rechten Aufmerksamkeit:
durch Achtsamkeit und Meditation zur Selbsterkenntnis gelangen.
8. Der Pfad der rechten Konzentration:
mich zentrieren, einen Gedanken bis zu seinem Ende denken ohne mich ablenken zu lassen.
((Dies ist das Ideal eines Verhaltenskodex, der mitnichten von der thailändischen Gesellschaft erfüllt wird (der vermutlich von keiner Gesellschaft erfüllt werden kann!).
Wenn man sich die Statistik anschaut, kommen Ehebruch und Prostitution leider sehr häufig vor und Alkohol wird auch hier getrunken, wenn auch wie schon beschrieben, staatlich streng reglementiert.
Im Alltag hier , fernab von den Amüsierküsten, ist es allerdings schon auffällig, wie wenig Alkohol getrunken wird. An jeder Ecke gibt es eine Garküche und eine Gaskartusche wo irgendetwas gebrutzelt und verkauft wird, aber keinen Alkohol. Dafür sind die Getränke schön bunt und für unsere Geschmacksknospen einfach unvorstellbar zuckersüß!!!))
Wenn aber ein Mönch in der gelben Robe, eines dieser Gebote bricht, muß er den Orden verlassen.
Für die buddhistischen Mönche gibt es eine Unzahl von weiteren Regeln und Geboten, die zu erfüllen sind. 813 Gebote für einen buddhistischen Priester. Es ist ihm verboten nach Mittag feste Speisen zu sich zu nehmen, er darf nicht singen, tanzen, musizieren. Er darf keine Schönheitsmittel benutzen. Die Art wie er geht , seine Schüssel hält etc., ist streng reglementiert.
Buddhistische Nonnen müssen sich an noch mehr Regeln halten. Buddha wollte keine Frauen im Orden. Wenn Frauen zum Orden gehörten, sagte er, würde sich das Rad seiner Lehre nur 500 Jahre drehen.
Nun, wie so oft dreht sich das Rad der Geschichte und auch der buddhistischen Lehre weiter, obwohl Frauen daran teilhaben.
Nach Buddhas Lehre geschieht nichts zufällig, alles hat eine Ursache. Aber es wird auch nichts durch die Kraft eines übergeordneten Gottes, wie im Christentum, bestimmt.
Alles wird durch Daseinsfaktoren bestimmt:
Farben,Töne, Sehen, Hören, Atmen, Reden, Schlafen, Hungern, Körperwärme, Gesundheit, Wollen etc.
Alle diese Daseinsfaktoren ändern sich ständig, deshalb ist kein Mensch von einer zur anderen Sekunde der Gleiche.
Alles unterliegt dem Karma.
Das Ziel ist das Nirwana.
Nirwana ist das Ende und wird mit dem Verlöschen einer Kerze beschrieben, die aufhört zu leuchten, weil der Brennstoff ausgeht.
Nirwana ist das Versickern eines Stromes.
Nirwana ist das Ende des Leidens.
Nirwana ist weder positiv noch negativ.
Jetzt liebe Freundinnen der westlichen Welt und Europas haltet Euch gut fest und atmet tief durch:
Im Hinayana Buddhismus kann nur ein Mann ins Nirwana eingehen. Auf der Stufe der durch Wiedergeburt zu erreichenden Existenzformen ist die Frau niedriger anzusiedeln als ein Elefant.
Erst muss der Mensch als Elefant geboren werden, dann kann er als Mann reinkarniert werden, und nur wenn er als Mann sein ganzes Leben im Tempel verbracht hat, kann er das Nirwana erlangen.
Dies ist nicht so streng in den anderen Formen des B.!
Im Gegensatz zum Christentum ist der B. quasi eine "gottlose" Religion. Es gibt keinen Schöpfer, keinen Erlöser und keine Heilsgewissheit.
Es gibt die Bemühungen zur "Selbsterlösung", indem man den Weisungen des Buddha Folge leistet.
Ein wichtiger Satz im Buddhismus lautet: "Du bist es, auf den du dich verlassen mußt" (Don benn tie püng kong don).
Obwohl die Thailänder ihre Buddhastatuen schmücken und vor ihnen niederknien und beten, bitten sie nicht um Hilfe und Erlösung, wie die Christen. Buddha sagt: ich bin der Lehrer, geh du den Weg und bemühe Dich.
So gesehen ist der B. eine "Leistungsreligion". Jede meiner Taten hat Einfluß darauf, ob ich das Nirwana erreichen kann oder nicht.
Als Buddhist versuche ich viele gute Taten zu tun. Als Mann verbringe ich eine bestimmte Zeit meines Lebens als Mönch im Kloster, oft für meine Mutter, weil sie es als Frau noch schwerer hat eine höhere Reinkarnationsstufe zu erreichen. Auch der König hat einige Monate für seine Mutter in einem Kloster verbracht.
Ich versuche Gutes zu tun, indem ich Bettlern spende, indem ich den Mönchen spende (ein buddhistischer Mönch gibt mir die Gelegenheit etwas Gutes für mein Karma zu tun, dadurch, dass ich ihm Essen spende).
Ich versuche Gutes zu tun, indem ich Vögel oder Fische vor dem Tempel kaufe um sie wieder frei zu lassen (die Touristen machen das auch und posten hinterher die Bilder auf Facebook). Ich tue Gutes, indem ich Geld für den Erhalt des Tempels spende, ich tue Gutes, indem ich um alte heilige Bäume bunte Tücher wickle, indem ich gastfrei bin und Fremden Wasser spende.
Aber:
die schlechten Taten werden von Buddha streng gewertet.
Allein ein Gedanke daran, wie köstlich es wäre einen Fisch zu essen, verhindert meinen Eingang ins Nirwana.
Diese Strenge macht die "Selbsterlösung" fast unmöglich.
Ich vermute die hohe Attraktivität die die buddhistische Religion für westliche Farangs hat, erklärt sich durch die Freundlichkeit anderen Lebewesen gegenüber und durch die hohe Toleranz. Es ist ja auch so, dass Vieles was wir im Westen über den Buddhismus erfahren über den Dalai Lama und den tibetischen B. zu uns gelangt ist, der eine wesentlich "liberalere" Position vertritt als die"alte und strenge" Form des Hinayana Buddhismus.
Toleranz wird aber auch hier gross geschrieben. Solange es die Staatsreligion Thailands nicht gefährdet, sind alle Religionen hier gut angesehen und akzeptiert. Nur keinen Glauben zu haben, ist für die Thais unvorstellbar und wird nicht verstanden.
Hier im Norden Thailands, gibt es aber nicht nur den Buddhismus, sondern weit verbreitet ist auch Animismus, der Glaube an Geister- und Tiergeisterwesen, vor denen man sich fürchten muß.
Viele abergläubische Verhaltensregeln resultieren daraus, die egal wie fortschrittlich sich Thailand entwickelt durchaus ernstzunehmen sind. Vor allem die Bergdörfer mit den dort lebenden Minderheiten gehören dieser Glaubensrichtung an.
Für diese Menschen mag es tatsächlich eine Erleichterung bedeuten zum Christentum bekehrt zu werden, weil sie dadurch ihre Angst vor all den Geisterwesen verlieren, die fester Bestandteil ihres Lebens ist.
Ansonsten stehe ich der christlichen Missionierung eher kritisch gegenüber und lasse auch in der Besprechung des gehaltenen Vortrags die Punkte, Evangelisierung, Schwierigkeiten und Chancen der Christianisierung unerwähnt, obwohl sie sehr interessant waren.
Meine Einstellung dazu ist eher liberal. Leben und Leben lassen. Glauben und Glauben lassen. Ich vermute, für die Kommunity hier bin ich eh nicht christlich genug, aber das ist ja vielleicht auch ein bißchen viel verlangt für jemanden der "ein bisschen evangelisch" ist, und sich mit der Tiefe und Festigkeit des Glaubens von Missionaren konfrontiert sieht.
Ich bin mir bewusst, dass ich natürlich in der kurzen Zeit hier, keine Buddhismusexpertin geworden bin, aber ich habe mir grosse Mühe gegeben die Dinge verständlich und richtig wiederzugeben. Für Anregungen und Kritik bin ich jederzeit dankbar und hoffe ich habe Euch nicht gelangweilt!
Nur Mut es geht schon gut!
Eure Tina
(Quellen:
Vortrag von E. Horn, gehalten am 12.08.2012 auf McKean
"Paul und die Weltreligionen: Buddhismus", Karin Schmiedl, Prestel Verlag
"Kulturschock Thailand", Rainer Krack, Reise Know-How Verlag)
Liebe Kristina!! Ich lese mit Begeisterung deinen Blog!! Ganz toll..."die Frau ist tiefer gestellt...als ein Elefant.." und all die anderen Geschichten...ganz liebe Grüße aus MeckPomm!!! von wo aus ich auch ähnlich verstörende Geschichten schreiben könnte.....deine Sandra
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